Ich habe mal bei einer Diskussion zum Thema „Traumberuf“ folgende Aussage gehört:
„Es kann nicht jeder nur das machen, was ihm Spaß macht. Wer würde dann die unbeliebten Jobs machen? Da würde ja die ganze Gesellschaft zusammenbrechen, wenn keiner den Müll abtransportieren oder die Straße kehren würde.“
Ich musste darüber ein wenig schmunzeln, gleichzeitig habe ich aber auch die tiefe Sorge derjenigen Person nachempfinden können, die das gesagt hat.
Ich würde diese Aussage gerne mal unter die Lupe nehmen. Unbeliebte Jobs. Wie werden die denn definiert?
Ja, natürlich, es gibt Jobs, die in der allgemeinen sozialen Wahrnehmung eine niedrige Stellung einnehmen, da gehören z. B. Putzfrau und Müllmann zu.
Im Gegensatz dazu genießen Ärzte und Anwälte ein hohes soziales Ranking.
Aber will deshalb wirklich jeder Arzt oder Anwalt werden? Für mich kämen diese Berufe jedenfalls nicht in Frage. Warum?
Arzt … zu viel Blut, Tod und emotionales Drama. (Ich weiß, wovon ich rede. Habe mal Praktikum beim Tierarzt gemacht.)
Anwalt … zu komplizierte und langweilige Rechtstexte, zu trocken, zu formell.
Des einen Traum, des anderen Albtraum.
Ich glaube, man muss wirklich zwischen sozialer Wahrnehmung und persönlicher Berufung unterscheiden.
Traumberuf Arzt?
Ich kannte mal zwei Hautärzte, es waren Brüder, die in die Fußstapfen ihres Hautarzt-Vaters getreten waren.
Wie unterschiedlich sich jedoch ihre Karrieren entwickelten!
Der ältere Bruder war ein Arzt mit Leib und Seele, er war fachlich top und daher überregional bekannt, er war Eigentümer einer großen, schicken, stets gut gefüllten Praxis.
Der jüngere Bruder war mit seiner Praxis in derselben Stadt niedergelassen, aber er machte auf mich oft den Eindruck, als wenn er lieber woanders wäre als bei seinen Patienten und manchmal wenn ich kam, war die Praxis gähnend leer.
Er wirkte grundsätzlich eher energiearm und nicht sonderlich motiviert.
Im Gegensatz zu seinem High Performer Bruder würde ich ihn als einen Low Performer bezeichnen.
Ich bin dann auch irgendwann nach einigen unerfreulichen Vorfällen in die gutgehende Praxis des älteren Bruders gewechselt.
Ich finde an diesem Beispiel sieht man sehr schön, dass der Beruf des Arztes, so angesehen er auch sein mag, nicht für jeden die beste Wahl ist.
Traumberuf Putzfrau?
Wie sieht es umgekehrt aus? Was ist mit einem Beruf wie Putzfrau? Kann so eine Tätigkeit ein Traumberuf sein?
Anscheinend ja.
Wenn du mir nicht glaubst, gehe mal auf den Youtube-Kanal Clean My Space.
Er gehört einer Frau aus Kanada namens Melissa Maker. Ich zitiere mal von ihrer Website:
„Nachdem sie 2005 die Schulich School of Business in Toronto mit einem Bachelor in Business Administration absolvierte, hat sie eine Stelle in einer Bank angenommen. Nach einem Jahr kündigte sie die Stelle, um ihre eigene Firma zu gründen.
Die Idee für einen Reinigungsservice stammte aus dem Gefühl, dass es eine Marktlücke für diese Dienstleistung gab, die sie selbst dringend brauchte; nämlich eine vertrauenswürdige, zuverlässige und qualitativ hochwertige Reinigungsfirma!
Da sie keine Ahnung vom Putzen hatte, musste sie das Ganze von der Pike auf lernen.
Nach langer Zeit angefüllt mit praktischer Putztätigkeit und viel Lernen entwickelte sie einzigartige und zeitsparende Reinigungstechniken, hat ein umfangreiches Wissen über Reinigungsprodukte und Reinigungswerkzeuge angehäuft und weiß, wie man selbst Reinigungsmittel herstellt und dabei Geld spart.“
Mittlerweile hat sie 20 Angestellte und putzt zwar nicht mehr selbst in den Wohnungen ihrer Kunden, lernt jedoch die neuen Reinigungskräfte ihrer Firma persönlich an und veröffentlicht regelmäßig Youtube-Videos mit Putztipps.
Ich glaube was ein Traumberuf ist, liegt im Auge des Betrachters.
Melissa fand Putzen jedenfalls faszinierender, als in einer Bank zu arbeiten.
Von daher glaube ich nicht, dass unsere Gesellschaft zusammenbricht, wenn jeder seiner Berufung folgt.
Im Gegenteil, ich glaube unsere Gesellschaft wird dadurch gestärkt, weil die Menschen, die zufrieden mit ihrem Beruf sind, bessere Arbeit leisten und glücklicher sind.